Justizvollzugsanstalt Stuttgart Stammheim
18 Studenten begleiten drei Tage das Projekt von Andreas Magdanz
by Andreas Magdanz
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About the Book
Stammheim
Was meinen Sie, wer uns alles besuchen möchte? Fernsehteams zum Beispiel, um für einen Krimi mit der Kamera kurz durch einen der Zellengänge zu fahren. Die Knast-Szene spielt dann zwar nicht in Stamm-, sondern Stadelheim – aber im Abspann soll ‚Stammheim’ stehen, das Gruselwort.
Kurt Oesterle, Stammheim (2003)
„Stammheim existiert in der Anschauung nicht. Vielmehr evoziert die Nennung des Stuttgarter Vortortes auch dreißig Jahre nach dem sog. Deutschen Herbst im kollektiven Gedächtnis unweigerlich eine metaphorische Vorstellung, die für das „Furchtsyndrom der Zeit“ (Hans Jürgen Kerner) steht. Seit langem ist die bildhafte Realität von Stammheim einzementiert und von einer medialen RAF-Erinnerungskultur überlagert, die in Malerei (Gerhard Richter), in der Fotografie (Astrid Proll), im Film (Bernd Eichinger) und im Fernsehen (Heinrich Breloer) eine nationale Rückvergewisserung zu zelebrieren sucht. Der retrospektive Blick, der zwangsweise ein verzerrender sein muss, wenn er mit dem naiven Anspruch der Rekonstruktion einhergeht, prägt bis heute den Umgang mit „Stammheim“. Als Realität bezeichnet Stammheim demnach eine Leerstelle, die weiterhin für mythisches Denken anfällig ist. „Stammheim vergessen“ übertitelte der Journalist Oliver Tolmein eine Publikation über „Deutschlands Aufbruch und die RAF“. Auch das ist ein frommer und vergeblicher Wunsch.
Wie leben eigentlich die Häftlinge in Stammheim? In dem TV-Zweiteiler „Todesspiel“ richtet ein Schauspieler, der Bundeskanzler Helmut Schmidt spielt, diese Frage an einen Schauspieler, der den Präsidenten des Bundeskriminalamtes Horst Herold spielt. Die Frage scheint weiterhin virulent, zumal sie eigenwillig im Präsenz verharrt. Gegenfrage: Ist sie für das Jahr 2010 zu beantworten? Mit gebotener Sachlichkeit berichtet die Internetnetseite der Justizvollzugsanstalt Stammheim, dass die JVA derzeit 877 Inhaftierte aufnehmen kann. Ein Bild entsteht nicht.“1
Nach „Hopper und die Fotografie - die Wahrheit des Sichtbaren“2, mit Outerbridge, Sheeler, Strand, Evans, Frank, Eggleston, Shore, Meyerowitz, den Vorlesungen zu Germain Krull‘s „Métal“, Mario Ciacomelli, Zed Nelson, James Nachtwey‘s „Inferno“ und Astrid Proll‘s „Hans & Grete“, den Filmen „Stammheim“ von Reinhard Hauff, „Todesspiel“ von Heinrich Breloer, „Black Box BRD“ von Andres Veiel und dem „Baader Meinhof Komplex“ von Uli Edel, den Exkursionen nach Vogelsang, den Kakus Höhlen und der Peter Zumthor Kapelle, nach „Garzweiler“, „Dienststelle Marienthal“, „Auschwitz-Birkenau“ und „BND-Standort Pullach“ begleiten 18 Studenten drei Tage lang das Projekt „Stammheim“.
9. Dezember 2010, Ankunft in Stuttgart, gegen 21.30 Uhr ein erstes Treffen im Bonnie & Clyde, fast wie „Hans & Grete“3, alte Freunde kommen dazu.
10.12.2010, 10.00 Uhr, Kornfelderstr. 19, Treffen in der von der JVA Stammheim gestellten Wohnung.
Vorher drei Wochen alleine gearbeitet, jetzt sind 18 Studenten hier, erstes Briefing, dann einmal Stammheim gemeinsam umrunden. Leichter Schneefall, -6 Grad, alle verteilen sich, suchen eigene Standpunkte, beginnen zu fotografieren.
19.00 Uhr Essen für 19 in einer Wohnung für Drei. Gegen 21.00 Uhr Nachtaufnahmen, von den Feldern scharfer Wind.
22.30 Uhr, Asperger Str. 4, Bistro „Dialog“, wo die Entlassenen Ihren ersten Cognac trinken.
11. Dezember, Sonntag, weiter mit der Arbeit um die JVA herum, bis 17.00 Uhr.
18x Fotografien der JVA Stammheim von Außen, in zwei Tagen, innerhalb eines Seminars von 60 Stunden: 18 motivierte, engagierte Standpunkte.
Ein kleines, spannendes Buch, eine Annäherung und Auseinandersetzung mit dem „Deutschen Herbst“, der genau hier, am 18. Oktober 1977, in der Nacht von Stammheim seinen Höhepunkt fand und die Republik nachhaltig verändert hat.
Andreas Magdanz
Was meinen Sie, wer uns alles besuchen möchte? Fernsehteams zum Beispiel, um für einen Krimi mit der Kamera kurz durch einen der Zellengänge zu fahren. Die Knast-Szene spielt dann zwar nicht in Stamm-, sondern Stadelheim – aber im Abspann soll ‚Stammheim’ stehen, das Gruselwort.
Kurt Oesterle, Stammheim (2003)
„Stammheim existiert in der Anschauung nicht. Vielmehr evoziert die Nennung des Stuttgarter Vortortes auch dreißig Jahre nach dem sog. Deutschen Herbst im kollektiven Gedächtnis unweigerlich eine metaphorische Vorstellung, die für das „Furchtsyndrom der Zeit“ (Hans Jürgen Kerner) steht. Seit langem ist die bildhafte Realität von Stammheim einzementiert und von einer medialen RAF-Erinnerungskultur überlagert, die in Malerei (Gerhard Richter), in der Fotografie (Astrid Proll), im Film (Bernd Eichinger) und im Fernsehen (Heinrich Breloer) eine nationale Rückvergewisserung zu zelebrieren sucht. Der retrospektive Blick, der zwangsweise ein verzerrender sein muss, wenn er mit dem naiven Anspruch der Rekonstruktion einhergeht, prägt bis heute den Umgang mit „Stammheim“. Als Realität bezeichnet Stammheim demnach eine Leerstelle, die weiterhin für mythisches Denken anfällig ist. „Stammheim vergessen“ übertitelte der Journalist Oliver Tolmein eine Publikation über „Deutschlands Aufbruch und die RAF“. Auch das ist ein frommer und vergeblicher Wunsch.
Wie leben eigentlich die Häftlinge in Stammheim? In dem TV-Zweiteiler „Todesspiel“ richtet ein Schauspieler, der Bundeskanzler Helmut Schmidt spielt, diese Frage an einen Schauspieler, der den Präsidenten des Bundeskriminalamtes Horst Herold spielt. Die Frage scheint weiterhin virulent, zumal sie eigenwillig im Präsenz verharrt. Gegenfrage: Ist sie für das Jahr 2010 zu beantworten? Mit gebotener Sachlichkeit berichtet die Internetnetseite der Justizvollzugsanstalt Stammheim, dass die JVA derzeit 877 Inhaftierte aufnehmen kann. Ein Bild entsteht nicht.“1
Nach „Hopper und die Fotografie - die Wahrheit des Sichtbaren“2, mit Outerbridge, Sheeler, Strand, Evans, Frank, Eggleston, Shore, Meyerowitz, den Vorlesungen zu Germain Krull‘s „Métal“, Mario Ciacomelli, Zed Nelson, James Nachtwey‘s „Inferno“ und Astrid Proll‘s „Hans & Grete“, den Filmen „Stammheim“ von Reinhard Hauff, „Todesspiel“ von Heinrich Breloer, „Black Box BRD“ von Andres Veiel und dem „Baader Meinhof Komplex“ von Uli Edel, den Exkursionen nach Vogelsang, den Kakus Höhlen und der Peter Zumthor Kapelle, nach „Garzweiler“, „Dienststelle Marienthal“, „Auschwitz-Birkenau“ und „BND-Standort Pullach“ begleiten 18 Studenten drei Tage lang das Projekt „Stammheim“.
9. Dezember 2010, Ankunft in Stuttgart, gegen 21.30 Uhr ein erstes Treffen im Bonnie & Clyde, fast wie „Hans & Grete“3, alte Freunde kommen dazu.
10.12.2010, 10.00 Uhr, Kornfelderstr. 19, Treffen in der von der JVA Stammheim gestellten Wohnung.
Vorher drei Wochen alleine gearbeitet, jetzt sind 18 Studenten hier, erstes Briefing, dann einmal Stammheim gemeinsam umrunden. Leichter Schneefall, -6 Grad, alle verteilen sich, suchen eigene Standpunkte, beginnen zu fotografieren.
19.00 Uhr Essen für 19 in einer Wohnung für Drei. Gegen 21.00 Uhr Nachtaufnahmen, von den Feldern scharfer Wind.
22.30 Uhr, Asperger Str. 4, Bistro „Dialog“, wo die Entlassenen Ihren ersten Cognac trinken.
11. Dezember, Sonntag, weiter mit der Arbeit um die JVA herum, bis 17.00 Uhr.
18x Fotografien der JVA Stammheim von Außen, in zwei Tagen, innerhalb eines Seminars von 60 Stunden: 18 motivierte, engagierte Standpunkte.
Ein kleines, spannendes Buch, eine Annäherung und Auseinandersetzung mit dem „Deutschen Herbst“, der genau hier, am 18. Oktober 1977, in der Nacht von Stammheim seinen Höhepunkt fand und die Republik nachhaltig verändert hat.
Andreas Magdanz
Features & Details
- Primary Category: Arts & Photography Books
-
Project Option: Standard Landscape, 10×8 in, 25×20 cm
# of Pages: 236 - Publish Date: Jul 26, 2011
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